So unterstützen wir derzeit im Libanon

Der Krieg im Libanon ist auch in unserem Projektort Aarsal greifbar. Zwar fielen hier keine Bomben, aber tausende Familien aus anderen Teilen des Landes sind hierher geflohen. Die Grünhelme unterstützen mit Dieselöfen gegen die Kälte des Winters. Außerdem laufen unsere anderen Projekte weiter.

Von Simon Bethlehem

Bonn, den 30. November 2024 – Unser Projektort Aarsal im Libanon ist erneut zum Zufluchtsort geworden. Während nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien mehr als 60.000 Syrer*innen Schutz in Aarsal suchten, sind durch den aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah erneut tausende Menschen in die Grenzstadt gekommen – und diesmal nicht nur Syrer*innen.

Rund 15.000 Libanes*innen sind aus dem Südlibanon, aus Beirut und Baalbek, vor allem aber aus den Orten der nördlich Bekaa-Ebene nach Aarsal geflohen. Hinzu kommen etwa 5.000 bis 10.000 Syrer*innen, die zuvor schon als Geflüchtete im Umland von Aarsal gelebt hatten.

Sie alle suchten Zuflucht in Aarsal, weil die Stadt als sunnitische Insel in der nordöstlichen Bekaa-Ebene von Raketen verschont bleibt. Rundherum befindet sich das schiitisch dominierte Hisbollah-Kerngebiet, das genau wie der Süden des Landes und Beirut von der israelischen Luftwaffe beschossen wurde. Mit dem Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens haben die massiven Angriffe und Kämpfe zwar vorerst ein Ende gefunden, aber noch ist nicht gesichert, wie stabil die Lage ist.

Grünhelme haben Dieselöfen verteilt

Die Versorgung der Vertriebenen und Geflüchteten in Aarsal ist sehr unterschiedlich. Während die Libanes*innen in öffentlichen Gebäuden wie Schulen untergebracht wurden, gibt es keine staatliche Unterstützung für die Syrer*innen. Sie sind bei Verwandten in Camps, in informellen syrischen Schulen oder leerstehenden Zelten untergekommen. Die Versorgung durch die libanesischen Regierung und die meisten Hilfsorganisationen konzentriert sich auf die libanesischen Binnenvertriebenen.

Wir Grünhelme haben deshalb gemeinsam mit unserem langjährigen Partner „Edinburgh Direct Aid“ (EDA) 200 Dieselöfen und je 20 Liter Brennstoff an syrische Flüchtlingsfamilien ausgegeben.

Dieselöfen sind für die Menschen in Aarsal enorm wichtig: Die Stadt liegt im Anti-Libanon-Gebirge auf bis zu 1800 Metern Höhe, die Winter sind extrem hart und geprägt von viel Schnee und wochenlangen Minusgraden. Die Öfen geben den syrischen Familien ein Stück weit Sicherheit, den Winter in den Zelten oder Rohbauten zu überstehen.

Die Verteilung haben unsere örtlichen Mitarbeiter organisiert und die Öfen wurden von den Familien sofort in Betrieb genommen.

Obwohl Aarsal kein direkter Kriegsschauplatz ist, ist der Krieg hier im Alltag greifbar. Die Straßen sind überfüllt, für Autos geht es kaum voran. Die Lebensmittelpreise sind aufgrund der hohen Nachfrage und der schwierigen Anlieferung aus anderen Landesteilen explodiert. Zimmer sind nicht oder nur zu extrem hohen Preisen zu bekommen. Die öffentlichen Schulen sind geschlossen, weil hier Geflüchtete untergebracht wurden. In einigen Tagen soll der Unterricht wieder stattfinden, sobald die Geflüchteten in ihre Häuser zurückkehren und die Schulen wieder frei werden.

Wenig Solidarität mit schiitischen Libanesen

Die meisten libanesischen Geflüchteten in Aarsal sind Schiiten. Das Verhältnis zu den Sunniten im Land ist seit jeher angespannt: Im libanesischen Bürgerkrieg der 1970er und 1980er Jahre kämpften sie auf unterschiedlichen Seiten, im syrischen Bürgerkrieg hielten die Schiiten mehrheitlich zu Assad, während die Sunniten in der Regel die Opposition unterstützten – und nun machen die Sunniten die schiitische Hisbollah für den Krieg im Land mitverantwortlich.

So ist die geringe Solidarität mit den schiitischen Geflüchteten in Aarsal zu erklären. Die Schulen und andere öffentliche Gebäude, in denen sie untergebracht sind, werden von der Armee beschützt, damit der innerlibanesische Konflikt hier nicht in Gewalt umschlägt.

Die syrischen Geflüchteten stehen dazwischen oder eher daneben. Wurden sie jahrelang schikaniert und ausgebeutet, stehen sie nun nicht mehr im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung. In Aarsal nehmen sie die neu hinzugekommenen syrischen Familien, die zuvor in Camps in der Bekaa-Ebene oder in Beirut gelebt hatten, in ihren Camps auf. Zumeist gibt es irgendwelche familiären Beziehungen.

Syrer helfen sich gegenseitig

Da die Unterstützung durch Hilfsorganisationen für diese Geflüchteten ausbleibt, sind es eben die Syrer*innen, die sie versorgen – mit Lebensmitteln, Unterkunft, Matratzen und eben Dieselöfen. Und dass, obwohl die meisten selbst kaum über die Runden kommen.

Einige syrische Geflüchtete witzeln schon, dass der Krieg auch etwas Gutes habe, da die Armee nun anderweitig beschäftigt sei und keine Zeit mehr habe, die syrischen Camps zu stürmen und zu plündern. Oder dass die Bewohner von Aarsal zu ihnen bei ihrer Ankunft damals ja geradezu gönnerhaft gewesen seien – ein Zimmer sei ihnen für 120 Dollar im Monat angeboten worden, von den schiitischen Geflüchteten würden nun sogar 500 Dollar verlangt.

„Tischlern For Future“ geht weiter

Auf unser Tischlerausbildungsprojekt hat der Krieg wenig Auswirkungen gehabt. Wir konnten unsere Werkstatt im September nach mehrmonatiger Pause an einem neuen Ort in Aarsal wiedereröffnen. Die Polizei hatte unsere Werkstatt geschlossen, ohne nachvollziehbare Gründe angeben zu können. Mit einem neuen Partner an unserer Seite, der sunnitischen Dachorganisation Dar al-Fatwa (DAF), die im Land und der Politik bestens vernetzt ist, ist das Tischlern-for-Future-Projekt nun für die Zukunft gut aufgestellt. In den vergangenen Wochen haben acht Personen, darunter zwei Frauen, ihre Gesellenstücke gebaut und die Ausbildung damit abgeschlossen. Weitere bauen aktuell noch an ihren Abschlussstücken.

Nahtlos ging es im November auch mit zwei neuen Kursen weiter. Die Nachfrage ist weiterhin riesig. So konnten wir wieder einen Männer- und einen Frauenkurs eröffnen, auch diesmal sind sowohl Libanesen als auch Syrerinnen dabei. Um den Frauen die Teilnahme an unserem Kurs zu ermöglichen, organisieren wir für sie auch weiterhin mit einem Minibus die Fahrt zur Werkstatt und wieder zurück.

Leider wird uns unser langjähriger Ausbilder Abu Qasim verlassen, da er ein Arbeitsvisum für die Vereinigten Arabischen Emirate bekommen hat und in den nächsten Wochen auswandern wird. Bereits seit dem Restart der Werkstatt hat er seine beiden Nachfolger Omar und Abu Feyrous eingearbeitet, die nun die Ausbildung als Team leiten werden. Aufgrund der Sicherheitssituation müssen wir aktuell auf die Unterstützung von Ausbilder*innen aus Deutschland verzichten.

Krieg verzögert Start der Solar-Ausbildung

Der Krieg ist auch der Grund dafür, dass der Start unseres lang geplanten Solarausbildungsprojektes mit Unterstützung der Naturstromstiftung auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Eigentlich sollte die Solarausbildung im September losgehen. Alles war vorbereitet: Das Curriculum war ausgearbeitet, eine Werkstatt und die Teilnehmenden waren gefunden, der erste Solarexperte aus Deutschland und auch ein lokaler Ausbilder standen in den Startlöchern.

Umso mehr hoffen wir, dass die Waffenstillstandsvereinbarung Bestand haben wird und sich die Sicherheitslage im Libanon bald stabilisiert. Dies ist die Voraussetzung für den Start des Projektes.

Skate-Anlage ein toller Erfolg

Erfreulicheres gibt es von unserem Skate-Projekt zu berichten: Dieses läuft weiter wie am Schnürchen. Die lokalen Trainer Ali und Mohammed öffnen an sechs Tagen in der Woche die Tore des Skate-Parks und es wird weiterhin von den Kids extrem gut angenommen. Besonders jetzt, wo die Schulen geschlossen sind, ist der Park schon fast zu klein geworden.

Seit etwa einer Woche ist nun klar, dass die Waffen zwischen Israel und der Hisbollah erstmal schweigen sollen. Viele libanesische Familien, die in Aarsal Zuflucht gesucht hatten, haben sich schon auf den Weg zurück zu ihrem Zuhause gemacht. Viele syrischen Familien bleiben erstmal, sie trauen dem Frieden noch nicht.

Weitere Projekte im Libanon

2024-12-04T12:07:19+01:00

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