Am Abend des 11. März beginnt der Fastenmonat. Der Ramadan ist eine Zeit, in der Traditionen und die Familie eine wichtige Rolle spielen. Doch wie erlebt man diese Zeit, wenn man auf der Flucht und fernab der Heimat lebt?
Unser Freund und Mitarbeiter im Libanon, Khaled Bakkar, der von allen nur „Abu Feyrous“ genannt wird, hat es für uns aufgeschrieben. Er musste 2013 mit seiner Familie aus Syrien vor dem Bürgerkrieg fliehen. Seither lebt er in Aarsal im Libanon und ist dort unter anderem unser Übersetzer.
Von Khaled Bakkar, Aarsal (Libanon)
Aarsal, 09. März 2024 – Der Ramadan ist für Muslime ein Monat der Anbetung, um Gott näher zu kommen. Das Ziel ist es, sich daran zu gewöhnen, sich selbst und die eigenen Wünsche zu kontrollieren. Das Leben der Armen zu spüren. Aber nur wenige profitieren von diesem Gefühl.
Für uns war der Ramadan der Monat der Familie und der Familientreffen. Es ist der Monat der Liebe und der Beendigung aller Streitigkeiten zwischen den Menschen. Es ist der Monat, in dem sich die Familie abends zum Fastenbrechen versammelt. Alle sind anwesend, denn zum Fastenbrechen hört sämtliche Arbeit auf. Manche gehen vor dem Fastenbrechen zur Moschee, ich habe das früher immer mit meinem Onkel gemacht.
Ich erinnere mich auch daran, wie wir mit unseren Verwandten und Nachbarn Gerichte ausgetauscht haben. Jede Familie schickt den Nachbarn etwas von dem Essen, das sie zubereitet hat. Es kann vorkommen, dass die ganze Nachbarschaft das gleiche Essen isst. Und weil man beim Fasten auch nicht rauchen darf, ist der ganze Raum voller Rauch.
Nachts ist alles erlaubt: Essen, trinken, rauchen, Medikamente, Geschlechtsverkehr. Eine halbe Stunde bevor die Sonne aufgeht, beginnt das Fasten. Die Zeit, in der wir vor Tagesanbruch mit dem Essen aufhören, wird „Suhoor“ genannt. Ich glaube nicht, dass es eine Übersetzung für das Wort gibt.
Spenden für Ärmere
Wir haben im Ramadan auch immer eine Familien- oder Nachbarschaftskasse eingerichtet. Jeder spendet etwas Geld oder andere Dinge für Kranke oder arme Studenten, das heißt, jeder ist ein Spender.
Aber seit wir Flüchtlinge im Libanon wurden, die Familie getrennt wurde und wir in einer anderen Gesellschaft zu leben begannen, hat sich vieles verändert. Wir haben das Schönste verloren, was es gab, wenn die Familie zusammenkam. Ich habe zum Beispiel zwölf Jahre lang nicht mit meiner Mutter zusammengesessen, und auch meinen Bruder habe ich zwölf Jahre lang nicht gesehen. Der Ramadan hat sich von einem Monat der Freude und der schönen Zeit in einen Monat voller Sitzen, Schweigen und in Erinnerungen Schwelgen verwandelt.
Zwölf Ramadan getrennt von Familie und Land
Wir erzählen unseren Kindern von diesen Tagen und wie sie waren. Wenn wir darüber sprechen, kommt der Schmerz in unseren Worten zum Vorschein.
Wir sind von Spendern zu hilfsbedürftigen Menschen geworden. Hier in Aarsal im Libanon gibt es zwar etwas zu essen, aber die Freude wie damals, beim Zusammensein mit der Familie und den Freunden, ist nicht zu spüren. Zwölf Ramadan sind vergangen, zwölf Ramadan sind wir nun weit weg von unserer Familie und unserem Land.
Ich erinnere mich, dass wir seit etwa fünf Jahren fast jeden Ramadan mit den Grünhelmen zusammen waren. Es gibt Arbeiter, die fasten, und solche, die nicht fasten und arbeiten können. Manchmal war es lustig, denn einige der Arbeiter schämen sich, zu sagen, dass sie nicht fasten. Sie trinken heimlich Tee und Wasser oder rauchen Zigaretten. In den Projekten wird einiges getan, um das Fasten zu erleichtern. Zum Beispiel wurde die Zahl der Arbeitsstunden verringert und es wird Nachsicht mit den Arbeitern geübt, wenn sie langsamer arbeiten als sonst. Die Freiwilligen aus Deutschland sind oft rücksichtsvoll, da sie nicht der Nähe der fastenden Arbeiter essen, obwohl das normal ist.
Die Hoffnung bleibt
Unmittelbar nach dem Ramadan kommt das so genannte Zuckerfest (Eid al-Fitr), ein schönes Fest zum Ende des Fastenmonats. Wir besuchen unsere Verwandten und gehen mit den Kindern in Parks und auf Märkte. Alle tragen neue Kleidung, vor allem die Kinder. Es war bei uns Tradition, am Eid-Tag früh aufzustehen, um die Moschee und den Friedhof zu besuchen. Wir legen an diesem Tag immer Rosen auf dem Friedhof ab. Dann kehren wir zurück, um uns im Haus der Familie zu treffen.
Aber jetzt, da wir im Libanon als Geflüchtete leben, wachen alle absichtlich nicht mehr so früh auf, denn es gibt nichts zu tun, außer die Erinnerungen in sich zu wecken. Ich habe aber die Hoffnung, dass einiges wieder so wird wie früher und wir vielleicht unsere Verwandten wiedersehen werden.