Dzevad Karahasan ist am 19. Mai mit 70 Jahren gestorben. Er war Mitglied des Kuratoriums der Grünhelme.
Von Christel Neudeck
Bonn, Mai 2023 – Als ich 2016 gefragt wurde, wer die Laudatio zum Anlass des Staatspreises des Landes NRW an uns halten sollte, zögerte ich keine Sekunde zu sagen: Dzevad Karahasan!
Rupert und Dzevad waren seelenverwandt. Er war Stadtschreiber in Graz, dort lernte ich ihn vor vielen Jahren kennen. Dzevad gehört zu den Menschen, die man nie vergisst.
Ein Nachruf ist überschrieben: ‚Er wollte die Welt entgiften‘. Das trifft seine Besonderheit sehr gut. Er war ein Chronist der multikulturellen Stadt Sarajevo. Viele Bosnier verehren ihn wie viele von uns Heinrich Böll.
Als ich vor einem Monat sein letztes Buch ‚Einübung ins Schweben‘ las (eine Geschichte von Liebe und Freundschaft aus dem belagerten Sarajevo), überfielen mich so viele Erinnerungen, vor allem an den Krieg vor 30 Jahren. Damals arbeiteten wir dort sehr intensiv. Ich schrieb Dzevad und er antwortete wie immer umgehend. Meine Frage, ob ich mir Sorgen um ihn machen müsse, bejahte er.
Von Ruperts Tod erfuhr Dzevad von einem Freund aus Zagreb, der ihm sagte, Rupert sei „an den Flüchtlingen“ gestorben. Nein, antwortete Dzevad, er ist gestorben, weil wir alle mit dem Tod in uns geboren werden. Das hat uns getröstet.
Im Talmud gibt es eine Geschichte, die besagt, dass es auf der Welt 36 Gerechte gibt. Ohne deren selbstlose Werke wäre die Welt längst verfallen. Sie leben unerkannt unter uns, treten aber in Erscheinung, wenn es darum geht, Menschen in Gefahr zu helfen. Wenn einer dieser Gerechten stirbt, wird ein neuer Gerechter geboren. Für mich war Dzevad einer dieser Gerechten.