Im Oktober startete unser erster „Tischlern-for-Future“-Kurs explizit für Frauen. Wie der anlief, berichtet unsere Freiwillige Sophie Ogriseg.

Die Grünhelme hatten schon lange über einen Frauenkurs im „Tischlern-for-Future“-Projekt in Aarsal nachgedacht. Doch im eher konservativen Ort Aarsal schienen die kulturellen Gepflogenheiten und Bedingungen dafür nicht einfach.

Mit der Zeit zeigte sich jedoch: Bei Frauen in Aarsal besteht durchaus Interesse an einem Tischlerkurs. Wir erhielten stetige Nachfragen. Darum entschlossen wir uns, im Oktober den ersten Frauenkurs anzubieten und zu testen, wie er ankommt. Eines gleich vorweg: Die Zahl der Anmeldungen war immens. Es meldeten sich viel mehr Frauen an als wir Plätze hatten! Das allein war eine große Freude, noch bevor es losging. Wir starteten mit 18 Frauen.

Geleitet hat diesen Kurs für die ersten drei Monate Sophie Ogriseg. Sie ist Tischlergesellin und Innenarchitektur-Studentin an der Technischen Hochschule Rosenheim. Wir danken Sophie für ihr tolles Engagement! Sie hat vor Ort viel bewegt und in Gang gebracht. Für uns hat sie aufgeschrieben, wie sie ihre Zeit im Libanon erlebt hat.

Von Sophie Ogriseg

Zu Beginn des Kurses gingen die Meinungen der Männer weit auseinander, einige empfanden die Idee eines Frauen-Tischlerkurses als sehr gut und befürworteten diese. Bei anderen erfuhr ich, dass sie es für keine gute Idee halten: „Frauen in einer Tischlerei, dazu kommt’s noch!“

Nicht selten konnte ich überraschte Gesichter wahrnehmen, sobald jemand erstmals vom Frauenkurs erfuhr. Manch einer machte sich sofort Gedanken: „Wie können wir die Frauen vor den Maschinen beschützen?“, „die Werkstücke sollten dann aber schon kleiner und handlicher sein, ja nichts Großes und Schweres“. Ich habe mir dann immer wieder ins Gedächtnis rufen müssen, dass ich nicht hier bin, um für die Rechte der Frauen zu rebellieren.

Für die Schülerinnen ist dieser Kurs aus meiner Sicht zuerst einmal hilfreich, um eine Routine im Tagesablauf zu bekommen. Fehlende Perspektiven beherrschen hier leider oft den Alltag und dieses Projekt bringt wieder etwas Struktur in deren Leben. Gleichzeitig – und das ist unser Hauptanliegen – helfen ihnen die erlernten Fähigkeiten, nach Absolvieren des Kurses einen Job zu finden oder sich selbst Arbeit zu verschaffen.

Viele der Schülerinnen sind entweder Waisen oder Witwen, sie stehen auf ihren eigenen Beinen. Deswegen übernehmen sie Rollen, die normalerweise Männern zugeschrieben würden. Der Kurs hilft ihnen dabei, noch selbstständiger zu werden. Einige Camps bestehen nur aus Frauen und Kindern, weil die Männer im Krieg gefallen sind, im Gefängnis sitzen, oder geflüchtet sind, um ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. In diesen Camps hilft es auch, wenn einige Frauen ein Handwerk erlernt haben und sich somit gegenseitig unterstützen können.

Der „Tischlern-for-Future“-Kurs für Frauen ist bis jetzt ein Erfolg und die Schülerinnen sind motiviert weiterzumachen. Angefangen haben wir damit, die Grundlagen in der Werkstatt kennen zu lernen: Werkzeug, Werkstoff und Maschinen. Die Teigrolle war ihr erstes Werkstück und die Ergebnisse waren wirklich sehr gut. Das war dann für einige Männer der Beweis, dass die Frauen sehr wohl im Stande sind, dieses Handwerk zu lernen und es auszuüben.

Weiter ging es mit verschiedenen Holzverbindungen und einem Spiegel mit Holzrahmen. Ebenso haben wir Tabletts mit Furnierarbeit und Fingerzinken gefertigt.

Meine beiden Ausbilderkollegen Abu Quasim und Mazen waren von den Arbeiten ebenfalls begeistert und haben den Schülerinnen ein präziseres Arbeiten als den Schülern bescheinigt. Da die Werkstücke immer geordnet im Regal liegen, sehen auch die anderen Gruppen, an was gerade gearbeitet wird. Die Schüler waren auch angetan von der Arbeit der Frauen.

Als Freiwillige im Libanon zu arbeiten, war die richtige Entscheidung für mich. Nicht nur habe ich meinen Schülerinnen und Schüler etwas gelehrt, sondern sie auch mich. In dieser Zeit habe ich so unglaublich viel gelernt und vergessen werde ich meine Eindrücke bestimmt nie.

Natürlich gab es auch anstrengende Tage, damit meine ich nicht normale anstrengende Arbeitstage. Ich meine die kulturellen Unterschiede und insbesondere die traditionellen Rollenbilder von Frauen und Männern. Diese Wertvorstellungen bin ich nicht gewohnt. Alles in allem bin ich hier aber von allen Seiten gut aufgenommen worden und habe hier sehr nette Menschen kennenlernen dürfen.

Nach den drei Monaten, in denen ich die Frauen unterrichten durfte, bin ich sehr stolz, da sie sehr viel gelernt haben. Aus meiner Sicht ist das Projekt „Tischlern-for-Future“ ein sehr sinnvolles Projekt hier in Aarsal.