Kaum Ärzte, kaum Medikamente, weite Wege: Die medizinische Versorgung in Sierra Leone ist alles andere als gut. Darum möchten wir zu Verbesserung beitragen.
Von Simon Bethlehem
Bonn, 23. März 2022. Gesundheitsversorgung in Sierra Leone – hier könnte der Satz weitergehen, doch bei genauerem Hinschauen passt allein der Begriff „Versorgung“ für die meisten Menschen nicht zur Realität. Denn von einer wirklichen Versorgung kann kaum die Rede sein. Das kleine westafrikanische Land befindet sich unter den Staaten mit dem schlechtesten Gesundheitssystem der Welt.
Laut UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, liegt die Lebenserwartung für ein Kind, das 2019 geboren wurde, in Sierra Leone, bei 54,7 Jahren. Damit belegt Sierra Leone den viertletzten Platz im Vergleich aller Länder der Erde. Jedes zehnte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag. Und noch 2017 starb bei jeder neunzigsten Geburt die Mutter. Aktuellere Daten liegen hierfür nicht vor.
Gerade im ländlichen Raum gibt es keine flächendeckende Gesundheitsversorgung. Vielerorts müssen kranke und schwangere Menschen erst viele, viele Kilometer laufen, ehe sie auf eine meist völlig unzureichend ausgestattete Gesundheitsstation treffen. Der ZEIT-Journalist Wolfgang Bauer beschreibt in seinem Text „Das Sterben der Mütter“ sehr eindrucksvoll, die Umstände einer Geburt im ländlichen Sierra Leone. Und auch, wenn der Text bereits von 2010 ist, so hat sich vielerorts leider nicht viel zum Besseren verändert.
Nur rund 200 Ärztinnen und Ärzte im ganzen Land
Es ist schon einer der besseren Fälle, wenn es überhaupt eine Gesundheitsstation in der Nähe gibt. In unserem früheren Projektdorf Gbentu etwa, wo wir eine Grundschule gebaut haben, gab es eine solche Krankenstation (siehe Foto oben), die aber auch unter Medikamentenmangel litt und keinen Wasseranschluss hatte. Kein Einzelfall: In vielen Dörfern fehlen Fachpersonal und Medikamente oder es gibt gar keine Gesundheitsstationen.
Dann sind die Menschen dort auf sich allein gestellt oder suchen Rat bei traditionellen Heiler:innen, die mitunter helfen können, bei ernsthaften Erkrankungen aber die Situationen der Patient:innen verschlimmern oder verhindern, dass die Menschen den weiten, zeit- und kostenintensiven Weg zu richtigen Ärzten auf sich nehmen. Und so enden selbst einfache, leicht zu behandelnde Erkrankungen nicht selten tödlich.
Ein funktionierendes Transportsystem könnte Abhilfe leisten, doch müssen die wenigen Krankenwagen meist ein Gebiet von hundert Kilometern abdecken, bei Straßenverhältnissen, in denen man kaum mehr als zehn Kilometer in der Stunde zurücklegen kann. Immer wieder blockieren auch feststeckende LKW die Pisten, sodass die Ambulanzen nicht durchkommen. Überdies sind die Krankenwagen durch die schlechten Straßen oft reparaturbedürftig oder nicht einsatzbereit.
Die Regierung ist bemüht, die medizinische Grundversorgung im Land zu verbessern. In der Hauptstadt Freetown und in den Distrikthauptstädten gibt es öffentliche Krankenhäuser. Doch die Zahl von insgesamt nur rund 200 Ärzt:innen im Land bei einer Bevölkerung von acht Millionen Menschen bringt das ganze Dilemma auf den Punkt. Außerdem gibt es in den Zentren auch immer mehr private Kliniken für die Oberschicht und die im Land lebenden Ausländer, die Ärzt:innen aus den öffentlichen Einrichtungen abwerben.
Flächendeckende Gesundheitsversorgung ist das Ziel
Immerhin versucht die Regierung durch die Ausbildung von neuem Fachpersonal der schwierigen Lage zu begegnen. Da aber zugleich in Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Gesundheit investiert werden muss, sind Fortschritte nur langsam zu erkennen.
Der Distrikt Falaba liegt ganz im Nordosten des Landes und ist weit weg von der Hauptstadt Freetown. Im gesamten Distrikt, der etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein ist, gibt es keine einzige befestigte Straße. Mit Dr. Augustine Jemissa hat der Distrikt im vergangenen Jahr nun einen neuen Gesundheitsbeauftragten bekommen, der überaus engagiert versucht, die Gesundheitsversorgung im Distrikt zu verbessern. Sein Ziel besteht darin, flächendeckend im Abstand von fünf Meilen (acht Kilometer) eine einfache Gesundheitsstation mit zwei Pflegekräften zu installieren. Gleichzeitig entstehen schon jetzt an drei Standorten im Distrikt Krankenhäuser, die dann auch mit Ärzten und Ambulanzen ausgestattet sein sollen. Für sierra-leonische Verhältnisse klingt dies ambitioniert.
Genau hier versuchen die Grünhelme nun zu unterstützen. Gemeinsam mit Dr. Jemissa haben wir die beiden Orte Seremodu und Mansonia identifiziert, in denen nun neue Gesundheitsstationen entstehen sollen. Nachdem wir seit 2018 vier Schulen in Sierra Leone fertiggestellt haben, widmet sich unsere Arbeit damit einem zusätzlichen, enorm wichtigen Bereich.
Geburten- und Untersuchungsräume
Bei den Gesundheitsstationen richten wir uns nach den baulichen Standards, die mit der Gesundheitsbehörde erarbeitet wurden. So soll jeweils ein Hauptgebäude entstehen, das neben zwei Untersuchungsräumen auch über ein Geburtszimmer (Kreißsaal) sowie einen Warteraum, ein Büro und eine kleine Apotheke verfügt.
Daneben wird ein weiteres Gebäude gebaut, in dem hochschwangere Frauen auf die Geburt warten können und dort mehrere Tage untergebracht werden. Dies ist aufgrund der weiten Wege sinnvoll, weil sich die Schwangeren dann schon frühzeitig zur Krankenstation begeben können und ihnen ein Fußmarsch in den Wehen erspart bleibt.
Als drittes Gebäude entsteht eine Unterkunft für zwei ausgebildete Krankenpflegerinnen, die von der Gesundheitsbehörde am Standort eingesetzt und bezahlt werden sollen. Darüber hinaus wird ein Brunnen samt Solarpumpe und Wasserturm gebaut, um fließendes Wasser in den Einrichtungen zu gewährleisten. Dies ist im ländlichen Sierra Leone alles andere als selbstverständlich. Außerdem wird für eine Stromversorgung ein kleines Solarsystem installiert, damit eine Kühlung für Impfstoffe – etwa für Neugeborene – möglich ist.
Projektdorf Seremodu
In Seremodu wurde kurz vor Weihnachten 2021 der erste Spatenstich gesetzt. Das kleine Dorf ist nur einen Steinwurf von der guineischen Grenze entfernt und liegt etwa 15 Kilometer südlich von Mansadu, wo wir zuvor schon die neue Junior und Senior Secondary School gebaut hatten und wo sich auch die nächstgelegene Gesundheitsstation befindet. Seremodu mit seinen selbst nur etwa 800 Einwohner:innen ist Knotenpunkt für viele weitere umliegende kleinere Dörfer, auch auf guineischer Seite der Grenze. Die Community hat uns mit großer Begeisterung aufgenommen und uns in einem kleinen Haus, nur wenige Meter von der Baustelle entfernt, untergebracht.
Unser zweiter Projektort ist Mansonia und liegt ganz im Süden des Distrikts Falaba, inmitten des beeindruckenden Louma Mountain Nationalparks mit seiner großen Schimpansen-Population. In diesem sehr abgeschiedenen Ort, der ebenfalls nur rund 1000 Einwohner hat, aber Einzugsgebiet für weitere umliegende Dörfer ist, hatte die Community in Eigeninitiative schon vor einigen Jahren eine provisorische Krankenstation errichtet. Diesem Engagement soll mit dem neuen Gebäude und der damit einhergehenden Entsendung von zwei Krankenpfleger:innen nun Rechnung getragen werden. Der Paramount Chief, als lokale Autorität, hat ein großes Stück Land unweit des Flusses zur Verfügung gestellt. Ende Januar haben wir hier mit dem Bau begonnen.
Vor uns steht ein großer Berg Arbeit, den wir gemeinsam mit den beiden Communities bewältigen möchten. Der Baustart war in beiden Dörfern sehr ermutigend und die Communities packen voller Tatendrang mit an.
Für beide Projekt suchen wir noch erfahrene Handwerker:innen und Ingenieur:innen als freiwillige Helfer vor Ort. Geleitet werden die Projekte von unserem neuen Projektleiter Manuel Stein, der bereits als Freiwilliger an den Schulbauprojekten in Gbentu und Mansadu mitgewirkt hat.
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