Am 8. März ist Weltfrauentag – und deshalb wollen wir einen Überblick geben über die Probleme, aber auch Errungenschaften von Frauen an unseren Projektorten.
In Teil 1 nahmen wir Sie mit nach Mosambik, in den Senegal und in die Grenzregion des Libanon (mehr von diesen Frauen können Sie hier lesen).
In Teil 2 geht es um die Frauen in unseren Projektorten in Sierra Leone, Nigeria und Syrien.
Maramaia, Sierra Leone
In Maramaia, einem kleinen Dorf im Nordosten von Sierra Leone, ist eine neue Grundschule entstanden. Hierbei waren die Rollen der Frauen und Männer ganz klar voneinander getrennt. Die handwerklichen Aufgaben auf der Baustelle haben die Männer übernommen, die Frauen waren zuständig für das tägliche Wasser holen, Sandsäcke transportieren und dafür, für alle am Bau Beteiligten zu kochen.
Die klare Trennung der Rollen ist nicht von uns Grünhelmen so gewünscht, sondern auf die klare Trennung der Aufgaben auch im Alltag zurückzuführen. Wenn überhaupt, trifft man sich bei den Feldarbeiten. Ansonsten gilt: Die Frauen kümmern sich um den Haushalt, das Kochen und die Kindererziehung und die Männer gehen arbeiten. Das erklärt auch, warum Mädchen in der Regel nur die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen erlernen, während Jungen eine längere Schullaufbahn erleben dürfen. Die Grünhelme hätte das gerne für das Schulbauprojekt anders gemacht, aber die Aufteilung auf der Baustelle wurde durch den Town Chief klar vorgegeben. Da auch der Dorfrat ausschließlich aus Männern besteht, werden die Gesetze und Regeln im Dorf auch von Männern gemacht und es scheint ein weiter Weg für die Gleichberechtigung der Frauen zu sein.
Für die Grünhelme ist jedoch klar: Ohne die Frauen im Dorf hätte das Projekt so nicht fertiggestellt werden können, denn wem wäre es sonst möglich, den Wassertank so schnell zu füllen und 20 kg schwere Sandsäcke auf dem Kopf zu transportieren? Oder wer hätte für die tägliche Stärkung auf der Baustelle gesorgt, während die anderen auf der Baustelle beschäftigt sind?
Da macht uns auch folgende Geschichte Hoffnung, die uns Martin Jäckel, Grünhelm im Einsatz vor Ort, im Interview erzählt hat: Ein Dorfbewohner, der seine Tiere auf den Reisfeldern hat laufen lassen und dadurch eine schwere Missernte hervorgerufen hat, wurde erst dafür verantwortlich gemacht, als die Frauen gestreikt haben.
Die Grundschule in Maramaia wurde dieses Jahr im Januar fertiggestellt (mehr hier lesen).
In Mansonia, ca. fünf Autostunden von Maramaia entfernt, haben im Januar die Bauarbeiten für eine Krankenstation samt Geburtenraum begonnen. Seit letzter Woche ist dort auch eine Frau Teil des Teams. Mantene ist die erste Arbeiterin auf einer Grünhelme-Baustelle in Sierre Leone. In den ersten Tagen hat sie schon für viele große Augen und Interesse gesorgt. Wir sind gespannt, wie das Dorf auf diese Neuerung regiert und wir würden uns sehr freuen, wenn sie uns weiterhin unterstützt.
Provinz Borno, Nigeria
Vor vier Jahren begann die Zusammenarbeit zwischen den Grünhelmen und Lydia Orubor, die 2011 die Organisation „Lindii Peace Foundation“ gegründet hat. Der Fokus der Zusammenarbeit liegt vor allem auf der Verbesserung der Wasserversorgung im Nordosten Nigerias. Im Interview erzählt uns Lydia, wie sie mit ihrer Arbeit auch andere Frauen motiviert und sie davon überzeugen bzw. bestärken konnte, dass Führung nichts Geschlechtsspezifisches ist und Frauen auch im Job Karriere machen können.
Denn die Realität sieht anders aus, vor allem im Nordosten des Landes, ist der Satz “It’s a man’s world” in allen Schichten manifestiert und Frauen würden darin nur geduldet, berichtet Lydia. Von Kindheit an sind die Hausarbeiten für die Mädchen bestimmt. Frauen werden als Eigentum angesehen, zum Heiraten zahlt der Mann einen Brautpreis und übernimmt die volle Kontrolle über die Frau und ihr Leben. Das Scharia-Gesetz im Norden und das Gewohnheitsrecht im Süden erlauben es Männern, mehr als eine Frau zu heiraten, während die Frauen einem Mann treu bleiben müssen. „All das sind klare Hinweise darauf, dass Frauen anders behandelt werden als Männer“, sagt Lydia. Das heißt, in Nigeria sind es zum einen die Gesetze, die zeigen, dass es noch ein weiter Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern ist und zum anderen sind es die Alltagssituation.
Lydia macht Alltagsdiskriminierungen von Frauen in Nigeria mit einer Anekdote deutlich: Ein Motorrad fuhr versehentlich in ihr Auto und beschädigte dabei die Rücklichter. Der Fahrer hielt daraufhin an und ging auf sie zu. Als er jedoch bemerkte, dass sie eine Frau ist, drehte er sich um und fuhr einfach davon. Fälle wie dieser sind schlimmer, wenn zum Beispiel eine Frau versucht, eine Werkstatt oder eine andere Einrichtung aufzusuchen. Sie erzählt weiter: „Ich war an Orten, an denen sich niemand um mich kümmern wollte, aber sobald mein Mann auftauchte, änderte sich der gesamte Empfang, mir wurde mehr Respekt entgegengebracht. Schockierend, wenn man so drastische Veränderungen in der Art und Weise erlebt, wie Menschen einen behandeln.“
Auf die Frage, was ihr Hoffnung macht, antworte Lydia: „Ich denke, Frauen sind stark, fleißig und belastbar. Die Fortschritte und Erfolge, die Frauen in den vergangenen Jahren erzielt haben, sind beeindruckend. Das ermutigt mich zu glauben, dass den Frauen bessere Tage bevorstehen.“
Wir sind sehr froh, Lydia als Projektpartnerin zu haben und sind davon überzeugt, dass sie mit ihrer Arbeit vieles für die Frauen in Nigeria bewegen kann und wird und auch weitere Frauen mit ihrer Tätigkeit und Einstellung motivieren wird. Lydia kann und will ihnen ein Vorbild sein. (Mehr über die gemeinsamen Projekte hier weiterlesen)
Region Aleppo, Syrien
In Syrien freuen wir uns über zwei Frauen, die die mobile Zahnarztpraxen mit ihrer Arbeit als Zahnarzthelferinnen unterstützen: Haifaa Hasan, 35 Jahre alt und Samah Jasem Al Ahmad, 24 Jahre alt, beide wohnhaft in der Nähe von Aleppo, ohne Familien. Haifaa Hasan arbeitet bereits seit 2014 für IDA (Independent Doctors Association) und ist seit Anfang 2017 mit der mobilen Zahnarztpraxis in den nordsyrischen Lagern der Region Azaz unterwegs.
Im Interview erzählt sie uns von ihrer beeindruckendsten Geschichte, die sie vor zweieinhalb Jahren erlebt hat. Das 10-jährige Waisenkind Sarah sei in die Praxis gekommen, da in Folge eines Sturzes aus dem Zelt heraus ihre obere Zahnreihe gebrochen war und das zum Verlust weiterer Zähne und zur Entzündung ihres Zahnfleisches, sowie zu einer Schwellung ihres Gesichts führte. Die starken Schmerzen und auch der Verlust ihrer Eltern lösten bei dem Mädchen starke psychische Belastungen aus. Haifaa erzählt „Ich konnte ihren Onkel/Vormund davon überzeugen, dass Sarah die Klinik regelmäßig besucht, bis die Behandlung komplett abgeschlossen war. Ich habe es geschafft, ihr Selbstbewusstsein zurückzugewinnen und erlebte, wie stolz sie auf sich war.“ Haifaa beschreibt weiter, dass „ihre harte Arbeit von der örtlichen Gemeinschaft und ihrer Familie geschätzt und respektiert wird und das berührt mich immer wieder.“
Beide Frauen beschreiben, dass in ihrer Tätigkeit von ihren Familien unterstützt werden, jedoch geht es nicht allen Frauen in Syrien so. Vor allem die Situation in den Grenzgebieten gestaltet sich als sehr schwierig für die Frauen. „In Syrien sind Frauen im Vergleich zu Männern die schwächste Säule“, erzählt Samah. Sie litten unter der patriarchischen Kultur und das spiegele sich in vielem wider, zum Beispiel im Mangel an Bildungschancen, in häuslicher Gewalt durch den Ehemann oder auch in der teilweise frühen Verheiratung der Mädchen. Vielen Frauen würden gezwungen, gegen eine kleine Summe für die Familie harte landwirtschaftliche Arbeit zu verrichten. Die Folgen des Syrienkrieges, der zehntausende Witwen und Waisen hinterließ, zeigt Samah zufolge aber auch, dass es den Frauen sehr wohl möglich ist, die Rolle der Ernährerin für die Familie zu übernehmen.
Haifaa sieht ganz klar die Lösung in Bildung. Dies sei eine Chance, Frauen eine Berufsausbildung und ein stabiles Einkommen zu sichern. Aber auch die Veränderung der Familienstrukturen sei essentiell.
Für die Zukunft erhofft sich Samah, dass Frauen in Syrien ihre vollen Rechte erhalten und als Frauen in der Gesellschaft respektiert werden – so, wie es wenigen Frauen bereits möglich ist. (Mehr über die Projekte in Syrien lesen)