Am 8. März ist Weltfrauentag – und deshalb wollen wir einen Überblick geben über die Probleme, aber auch Errungenschaften von Frauen an unseren Projektorten.
Bonn, 06. März 2022 – In zwei Tagen ist Weltfrauentag. Er soll die Gleichberechtigung von Frauen in den Fokus rücken. Denn noch immer sind Frauen in vielen Teilen der Welt diskriminiert, sie haben schlechtere Bildungschancen, sind deutlich öfter von körperlicher oder sexualisierter Gewalt betroffen und verrichten erheblich mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt.
Wir Grünhelme verstehen uns als Organisation mit Bauexpertise, doch wir haben gleichzeitig immer auch das Ziel, über unsere Schulbau- oder Ausbildungsprojekte, über Kranken- oder Geburtenstationen auch Mädchen und Frauen zu stärken.
Doch wie genau ist die Lage der Frauen an unseren Projektorten? Würden sie sagen, dass sie die gleichen Rechte haben wie Männer? Was wünschen sie sich? Diese Fragen haben wir unterschiedlichen Frauen aus unseren sechs Projektorten Sierra Leone, Libanon, Syrien, Mosambik, Senegal und Nigeria gestellt. Herausgekommen ist eine höchst eindrückliche Übersicht – mit spannenden, persönlichen Erfahrungsberichten aber auch mit starken Analysen der gesellschaftlichen und patriarchalen Strukturen.
In Teil 1 nehmen wir Sie mit nach Mosambik, in den Senegal und in die Grenzregion des Libanon.
Ziguinchor, Senegal
In unserer Kfz-Ausbildungswerkstatt im Senegal arbeitet seit eineinhalb Jahren die Mechanikerin Nathalie Sadjo, auch genannt Madame Marél. Nathalie hat zuvor schon reichlich Erfahrung gesammelt in der Hauptstadt Dakar und kann auf 20 Jahre Berufspraxis zurückblicken. Sie sagt: „Seit meiner Kindheit liebe ich diese Arbeit. Als ich alt genug war, habe ich die Aufnahmeprüfung gemacht und meine Ausbildung angefangen.“ Als unser Projektleiter Henrik Sauer sie im Interview fragt, wir ihre Familie und Freunde darauf reagiert haben, dass sie als Frau Mechanikerin werden wollte, sagt sie: „Ich habe von Anfang an viel Unterstützung und Ermutigung erfahren.“
Nathalie ist keinesfalls eine Ausnahme. Bei „Neudeck Automobiles“, wie unsere Werkstatt von den Menschen vor Ort getauft wurde, macht auch die 24 Jahre alte Heléne den praktischen Teil ihrer Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin. Auch ihre Familie habe sie bei dieser Berufswahl ermutigt, sagt sie. „Unter den Freunden gab es schon einige, die meinten, dass das doch ein Männerberuf sei“, erzählt Heléne. „Generell aber haben die Männer gesagt, als ich meine Praktika gemacht habe, dass ich das ruhig machen solle, dass es eine Chance wäre.“
Gibt es also gleiche Rechte von Männern und Frauen im Senegal? „Nein“, sagt Heléne. „Nicht in der Wirklichkeit.“ Was Frauen im Haushalt machen müssten, machten Männer nicht. Das sieht auch Nathalie so. „Bis heute ist die Stellung der Frau geringer als die der Männer im täglichen Leben“, sagt sie.
Beide Frauen lassen sich aber nicht klein halten. Sie haben Ambitionen. Nathalie will ein Vorbild für andere Frauen im Süden Senegals sein und zeigen, dass Kfz-Mechanikerin eben kein reiner Männerberuf ist. Sie sagt: „Vielleicht kann ich eines Tages ja sogar Technische Leiterin werden, oder sogar Chefin!“ Und Heléne weiß selbstbewusst: „Ich kann sogar Ingenieurin werden.“ (Mehr über dieses Projekt erfahren)
Aarsal, Libanon
Seit 2017 arbeiten wir Grünhelme in diesem Ort an der Grenze zu Syrien, der seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs zehntausende Menschen aufgenommen hat. Die Situation der syrischen Flüchtlingsfrauen ist äußerst unterschiedlich, schildern uns Manar und Sharifa, die ebenfalls sehr verschieden sind. Da ist Manar, die in Syrien als Lehrerin gearbeitet und aufgrund ihrer guten Bildung nach der Flucht im Libanon wieder eine Arbeit gefunden hat – bei unserem Projektpartner SB Overseas. Dort betreut sie „Women empowerment“-Kurse, wo Frauen das Nähen oder den Umgang mit dem Computer erlernen. Manar erzählt, dass einige syrische Frauen im Libanon eine Freiheit erlangt haben, die sie in Syrien nicht besessen hätten. Dort standen sie unter der Kontrolle ihrer Väter, Onkel oder Ehemänner, sagt Manar. Nun, da die Flucht Familien auseinander gerissen hat, kleideten sich viele Frauen so, wie sie es wollten, oder gingen ohne männliche Begleitung nach draußen.
Doch diese Abkehr von den Traditionen führe bei einigen Familien zu einer heftigen Gegenreaktion, berichtet Manar. Sie hielten nun noch stärker an Traditionen fest als zuvor in Syrien. Daher sei die Entwicklung zweischneidig.
Zudem sind da auch Frauen wie Sharifa, 44 Jahre, Mutter von 8 Kindern (siehe Foto, mit schwarzem Hidschab). Sie ist nur wenige Jahre zur Schule gegangen, hat nie gearbeitet. Ihr Mann verstarb im Libanon bei einem Unfall. Manche Männer sind auch im Krieg gefallen. Witwen würden zwar von der Gesellschaft unterstützt, aber teils auch ausgebeutet, sagt Manar. Denn ihnen fehle nach traditioneller Denkweise der Schutz eines Mannes.
Außerdem ist festzustellen, dass syrische Mädchen in Aarsal vermehrt früh heiraten, teilweise schon mit 15 oder 16 Jahren. Manar sieht als Hauptgründe die wirtschaftlich prekäre Situation der Geflüchteten, die Eltern dazu bringe, ihre Töchter schnell zu verheiraten. Zweitens gebe es auch Mädchen, die eine Heirat als Chance sähen, die schwierigen Lebensumstände in der Familie zu verlassen (was sich aber als Trugschluss erweise, sagt Manar, da viele Ehen scheiterten und die Frauen dann mitsamt Baby wieder bei ihren Eltern einzögen). Und drittens fehle es an Zukunftsmöglichkeiten für junge Frauen und Mädchen. Das Problem der Hochzeit im Minderjährigenalter betrifft aber nicht nur syrische Geflüchtete, sondern auch libanesische Mädchen. Im Libanon sind Ehen mit Minderjährigen gesetzlich nicht verboten – und kommen abseits der Städte durchaus vor.
Sharifa erzählt außerdem, dass syrische Kinder nachmittags in die staatlichen libanesischen Schulen gehen, weil morgens die libanesischen Kinder unterrichtet werden. Der Unterricht ende um 18 Uhr. Da im Winter dann längst die Sonne untergegangen ist, Geflüchteten das Geld für Kleinbusse oder Taxen fehlt und Mädchen abends nicht mehr draußen sein sollen, nähmen einige Eltern ihre Töchter aus der Schule. Den Mädchen bleibt so die Chance auf eine gute Bildung verwehrt. Umso glücklicher sind wir, dass die private Schule unseres Partners SB Overseas so großartige Arbeit leistet! Auch wir versuchen, in unseren Tischlerkursen Zukunftsperspektiven zu ermöglichen, leider haben bisher keine Frauen an den Kursen teilgenommen (mehr zu diesem Projekt).
Sovim, Mosambik
In dem Dorf Sovim sind die Rollen klar verteilt: Frauen kümmern sich hauptsächlich um Kindererziehung und Haushalt, dazu gehört unter anderem das Wasserholen und das Zubereiten von Essen. In unserem Schulbau-Projekt sind Frauen ebenso nur für diese klassischen Arbeiten zuständig: Wasser oder Sand zur Baustelle bringen und das Mittagessen zubereiten. Gerne sähen wir es, wenn Frauen bei uns auf der Baustelle mit anpacken. Doch das ist nach Auskunft vieler unserer Angestellten und des örtlichen Dorf-Chiefs schwer vorstellbar. Das finden wir zwar schade, müssen es aber akzeptieren.
Bei unseren weiblichen Freiwilligen denken die Männer vor Ort offenbar anders. Sie werden auf der Baustelle akzeptiert, bestätigt auch Kathrin Benstem, die mehrere Monate in Sovim verbracht und nebenbei einen Film über das Dorfleben gedreht hat.
Kathrin beobachtete, dass Frauen in Sovim neben den traditionellen aber auch andere Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel Holzkohle herzustellen. Diese bringen die Ehemänner oder Söhne dann mit dem Fahrrad in die Stadt Tica, um sie dort zu verkaufen. Außerdem verkaufen Frauen Gebäck und andere Dinge auf dem Markt. Sie sind also auch geschäftlich aktiv, verhandeln über Preise und tragen zum Familieneinkommen bei. Kathrin wollte gerne Interviews mit Frauen führen. Doch das gestaltete sich schwierig. „Viele der Frauen im Ort sind sehr schüchtern, vor allem, wenn ihre Männer dabei sind“, sagt Kathrin.
In Sovim haben wir eine weiterführende Schule fertiggestellt und bauen noch eine Grundschule (mehr hier lesen).