In diesen Tagen erreichte uns wieder eine Email von Lydia Orubor, die uns regelmäßig über den Stand unseres gemeinsamen Projektes in den Flüchtlingslagern von Pulka informiert. Ihre Organisation hat mit einer ganzen Reihe von Problemen vor Ort zu kämpfen, von denen die Corona Pandemie noch das Geringste zu sein scheint. Wir fragen uns, ob es einen verlasseneren Platz auf der Welt gibt als die Camps in Pulka, in die die Menschen vor dem Terror von Bokoharram fliehen. Oft müssen sie dort jahrelang ausharren, ohne Perspektive, ohne Schule, immer wieder ohne Mindest-Versorgung. Deshalb sind wir so froh, dass wir trotz der äußerst prekären Sicherheitslage mit unserem unglaublich engagierten nigerianischen Partner direkt vor Ort helfen können. Mit der Lindii Peace Foundation bauen wir Latrinen und Handwaschstationen, reparieren Brunnen und versorgen Neuankömmlinge mit ersten Starterpaketen:
„Liebe Grünhelme,
Unser Projekt hat seinen mittelfristigen Meilenstein erreicht, und – so weit, so gut – konnten wir das Projekt im Großen und Ganzen wie geplant umsetzen, mit nur wenigen Anpassungen an die Variablen.
Ihr wisst, wir sind nicht groß, aber wendig, und wir haben Unterstützung von nigerianischen Fachleuten, die sich freiwillig zur Verfügung stellen. Wir konnten bisher eine Vervielfachung der Wasserproduktion in den Flüchtlingslagern in Pulka erreichen. Dies war nur möglich, weil wir die Dienste von Ingenieuren in Anspruch nehmen konnten, die wir nicht bezahlen mussten, um die Möglichkeiten zur Verbesserung der Wasserverfügbarkeit in den Lagern zu untersuchen und einzuleiten. Geld ist wirklich nicht alles. Heutzutage ist es allerdings schwieriger, Menschen zu finden, die bereit sind, uns an einen gefährlichen Ort wie Pulka zu folgen.
Andererseits, wenn man sich die Ergebnisse und die Auswirkungen auf die CampbewohnerInnen ansieht, dann ist es das alles wert. In einer Gemeinschaft, in der die Wasserknappheit das Verhalten und die täglichen Praktiken der Bevölkerung geprägt hat, ist die Wertschätzung für unseren Bau von Brunnen, Latrinen etc nicht messbar. Die Leute können nicht glauben, wie sehr sich ihr Schicksal verändert hat, und den Community leaders zufolge haben wir ihre Hoffnung erneuert, am Leben zu bleiben, und doch eines Tages in ihre Häuser und zu dem Leben zurückkehren können, das sie einst hatten.
Es ist wirklich traurig zu sehen und zu hören, wenn die Campbewohner ihre Geschichten erzählen. Einige sprechen über ihre kleinen Farmen und andere über ihren Handel, über die Leben die sie einst führten. Sie sagen, dass sie sich immer noch fragen, ob das Leben jetzt, da sie offensichtlich länger hier bleiben müssen, noch einen Sinn hat. Einige in Lager D haben ihr Zuhause in Sichtweite, wenn sie auf die Felsen klettern. Aber dort hinzugehen wäre lebensgefährlich. Die Frauen sind gezwungen, über die Militärtranchen hinweg das umliegende Land zu bewirtschaften, um ihre Familien zu ernähren. Selbst wenn das bedeutet, dass sie entführt oder sogar getötet werden könnten. Sie wissen, wenn ihre Männer hinausgehen und Bokoharam begegnen, werden diese mit Sicherheit getötet.
Ich frage mich manchmal, ob dies jemals enden wird, wenn man bedenkt, dass die Kinder in den Lagern ohne eine angemessene Ausbildung und das Erleben der vertrauten Dorf-Gemeinschaft aufwachsen werden. Ihr Bild vom Leben ist verschwommen, und der weitere Weg ist ungewiss. Nun, diese Gedanken hebe ich mir für später auf. Vorerst tun wir unser Bestes, um dafür zu sorgen, dass sofort Leben gerettet werden.
Herzliche Grüße, Eure Lydia“
Vielen Dank allen Spender*innen, die unsere Unterstützung für Nigeria erst möglich machen.