Ausbildung ist Zukunft. Dies gilt umso mehr für die jugendlichen syrischen Geflüchteten im Libanon. Unser Schreiner*innen-Ausbildungsprojekt ist nun von Saida in den Geflüchteten-Hotspot Arsal umgezogen. Das Restriktionsnetzt, das die libanesische Regierung über die syrischen Geflüchteten im Land gezogen hat, ist sehr engmaschig. Es hat zum Ziel, den Aufenthalt im Libanon für die Syrer*innen so unangenehm wie möglich zu machen, und läuft darauf hinaus, dass die Geflüchteten kaum Entfaltungsmöglichkeiten haben.
Dies beginnt schon bei den Kindern und Jugendlichen und ihren Zukunftsperspektiven. Der Schulunterricht ist für sie beschränkt und findet in separaten Schichten, strikt getrennt von libanesischen Kindern statt. Vielerorts fehlen selbst diese Schulplätze zweiter Klasse, sodass zehntausende Kinder ohne Bildung bleiben oder von Gemeinschaftsinitiativen und Hilfsorganisationen in informellen Schulen, ohne Chance auf einen Abschluss, unterrichtet werden. Besonders betroffen sind die Kinder ab 14 Jahren, die in lange Warteschleifen geschoben werden und oft viele Jahre auf einen Platz an einer weiterführenden Schule warten müssen. Während junge Mädchen aufgrund fehlender Perspektive nun immer früher und schon vor der Volljährigkeit eine Ausflucht in der Ehe suchen, gehen die männlichen Jugendlichen in den Graubereichen des Arbeitsmarktes auf Arbeitssuche, um ihren Familien ein kleines zusätzliches Einkommen zu ermöglichen. Dabei geraten sie nicht selten an zwielichtige Arbeitgeber, müssen Ausbeutung und Gewalt über sich ergehen lassen und haben keinerlei rechtliche Handhabe, um den Lohn für geleistete Arbeit einzufordern. Sie sind die schwächsten Glieder in einer am Boden liegenden libanesischen Wirtschaft, in der sie die schweren und schmutzigen Jobs übernehmen, zugleich aber von libanesischen Politikern als Verantwortliche für die hohe Arbeitslosigkeit im Land als Sündenböcke gebrandmarkt werden. Eine wirkliche Ausbildung mit Perspektive ist in diesem Umfeld unmöglich.
In dieser hoffnungsarmen Situation, die besonders im nordöstlichen Arsal, stark ausgeprägt ist, versuchen wir nun über Ausbildungs-Workshops für Tischler*innen Menschen für das Handwerk zu begeistern und ihnen Fähigkeiten an die Hand zu geben, die ihre aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessern, ihnen aber auch eine Perspektive für das Leben nach dem Krieg und einer Rückkehr in die Heimat bieten sollen.
Zwischen Juni und August hatten wir bereits im südlibanesischen Saida ein Pilotprojekt gestartet (http://gruenhelme.org/tischlern-for-future/). In einem dreimonatigen Kurs haben wir dort syrische Jugendliche und Frauen an das Tischlern herangeführt, haben mit ihnen klassische Holzverbindungen erarbeitet und das Furnieren erlernt. Aufgrund fehlender Unterstützung der syrischen Community in Saida und einer unklaren Perspektive der Geflüchtetenunterkunft selbst, haben wir uns schweren Herzens entschieden, dieses Projekt nicht in eine zweite Phase zu überführen. Stattdessen sind wir mit unserer Werkstatteinrichtung nach Arsal, in die nordöstliche Bekaa-Ebene, direkt an die syrische Grenze umgezogen. Hier arbeiten wir bereits seit mehreren Jahren in verschiedenen Camps und sind gut im Ort vernetzt.
Gemeinsam mit der britischen Organisation Edingurgh Direct Aid haben wir eine Werkstatt angemietet, mit Hobelbänken und ein paar Maschinen ausgestattet. Mit den Erfahrungen aus Saida im Hinterkopf, haben wir die Gruppengröße auf acht Personen reduziert und die wöchentliche Ausbildungszeit von sechs auf neun Stunden angehoben. Außerdem konnten wir einen syrischen Bauingenieur und Schreiner als Ausbilder gewinnen, der nun als Teil unseres Teams die Azubis betreut und gleichzeitig als Übersetzer hilft. Anfang Oktober haben wir mit zwei Gruppen begonnen und zu unserer Freude nehmen nun nicht nur Syrer, sondern auch Libanesen teil, die interessiert sind, das Handwerk zu lernen. So kann in unserem Workshop auch der Austausch und das gegenseitige Verständnis gefördert werden. Auch sind nicht bloß junge Männer und Jugendliche mit von der Partie, sondern auch ältere Herren. Frauen konnten wir bisher leider nicht gewinnen.
Ähnlich wie in Saida haben wir mit unseren Azubis begonnen, ein Gefühl für den Werkstoff Holz zu entwickeln, indem wir ein Nudelholz respektive einen Brotroller gebaut haben. Dafür musste ein Vierkantholz rund gehobelt und die seitlichen Enden als Handgriffe abgesetzt werden. So wurde bereits beim ersten Werkstück der Umgang mit Handhobel und Stechbeiteln geübt und außerdem etwas gebaut, das jede Familie hier vor Ort gut gebrauchen kann. In den ersten Wochen haben wir darüber hinaus Schlitz- und Zapfenverbindungen sowie Schwalbenschwanz-Zinkungen erlernt, sodass bereits in der vierten Woche jeder unserer Azubis ein kleines Schränkchen mit Tür gebaut hat, bei dem all die gelernten Verbindungen zur praktischen Anwendung kamen.
Da wir aber nicht nur gute Handwerker aus unseren Teilnehmern machen möchten, die klassische Holzverbindungen beherrschen, haben wir unsere Werkstatteinrichtung um einige Hand- und stationäre Maschinen erweitert: Neben Handkreissäge, Elektrohobel und Oberfräse, können wir nun auch auf einen Abrichte und einen Dicktenhobel zurückgreifen. Das Erlernen des Umgangs mit solchen Maschinen wird für unsere Teilnehmer wichtig werden, wenn sie in Arsal bei lokalen Tischlern nach Arbeit fragen. Insgesamt soll ein Ausbildungskurs bei uns über sechs Monate laufen, im Januar möchten wir zudem mit neuen Gruppen beginnen, da die Nachfrage nach unserer Ausbildung groß ist. Darüber hinaus werkeln wir an Konzepten, wie wir unseren Absolventen nach Abschluss der Ausbildung zu Arbeit verhelfen können, ohne die lokalen Schreiner zu schwächen.
Bildung und Ausbildung sind für die meisten syrischen Familien die zentralen Themen in ihrer ohnehin schwierigen Situation. Die Frage, wie es ihren Kindern besser gehen kann und wie sie ihnen trotz all des Drucks und der scheinbaren Ausweglosigkeit, eine Zukunftsperspektive bieten können, beschäftigt viele Eltern. Genau hier möchten wir unterstützen und Angebote machen.
Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei. Solange das Assad-Regime an der Macht bleibt, ist für die meisten Geflüchteten in Arsal eine Rückkehr lebensbedrohlich. Ihnen gilt unsere Solidarität und Unterstützung.