Das traurige Spiel mit den syrischen Geflüchteten im Libanon
Anfang des Monats hat die libanesische Armee ernst gemacht und damit begonnen Unterkünfte von syrischen Geflüchteten in Arsal zu zerstören. Unter dem massiven Druck beugen sich nun die meisten Familien und bauen ihre Unterkünfte selbst um. Wir Grünhelme unterstützen dabei ein Witwen- und Waisencamp.
Nachdem die Drohung schon lange im Raum stand, rückten in den frühen Morgenstunden des 01. Juli die Bulldozer der Armee an und zerstörten in mehreren Camps syrischer Geflüchteter im nordost-libanesischen Arsal einzelne Unterkünfte syrischer Familien. Den Menschen wurde noch Zeit gelassen aus den Zelten zu kommen, ehe das schwere Gerät der Armee die Behausungen unbewohnbar machte und das wenige Hab und Gut der Geflüchteten unter Schutt begrub. Begleitet wurde diese gezielte Aktion, die etwa 50 Familien obdachlos machte, von den Drohungen der Soldaten, in den nächsten Tagen die Zerstörung fortzusetzen, sofern die Familien nicht endlich selbst Hand an ihre Zelte anlegen und sie den neuen, absurden Richtlinien der Regierung anpassen: Mauerwerk nur noch bis Hüfthöhe, ansonsten nur Holz und Kunstoffplanen.
Die Zerstörung ist der Höhepunkt des permanenten Drucks, der auf die Syrer*innen im Libanon ausgeübt wird. Jeden Tag wird ihnen gezeigt, wie unerwünscht sie in dem Land sind, in dem sie Zuflucht vor den Bomben des Assad-Regimes in ihrem Heimatland gesucht haben. In den letzten Monaten wurden die Daumenschrauben der libanesischen Regierung weiter angezogen. Sie betreffen nicht nur die Unterkünfte, sondern auch die Arbeitsmöglichkeiten für Syrer*innen und Ausgangssperren. Doch auch diese zusätzlichen Angriffe auf die Lebensbedingungen der Geflüchteten führen nicht zu einer vermehrten Rückkehr der Menschen nach Syrien: Nur wenige hundert Menschen haben sich auf die Rückführungsliste setzen lassen. Fast alle lassen die neuerlichen Repressalien über sich ergehen. Zurück in ihr Heimatland können sie nicht, weil sie weiterhin vom Assad-Regime als Terroristen gebrandmarkt werden, als unerwünscht gelten und die Gewalt nach einer Rückkehr noch die im Libanon übersteigt.
Uns Grünhelmen sind weitestgehend die Hände gebunden. Politisch sind wir machtlos, können nur für Öffentlichkeit sorgen und die Situation der Menschen zum Thema machen. Gleichzeitig versuchen wir aber zumindest von der Zerstörung ihrer Unterkünfte bedrohte und betroffene Familien zu unterstützen. Nach einem Hilferuf des Witwen- und Waisencamps Abrah Wahed in Arsal helfen wir den 60 Familien ihre Unterkünfte umzubauen, weil die Bewohner*innen – ausschließlich Frauen, Kinder und Jugendliche sowie eine Handvoll alter Männer – den Umbau selbst nicht stemmen können. Seit drei Wochen reißen wir nun ab und bauen wieder auf. Wir zerstören die massiven Wände aus Zementsteinen und ersetzen sie durch eine Holzrahmenbaukonstruktion, die abschließend mit Planen bespannt wird. Zusätzlich bekommen die Familien Fenster und geteilte Wände werden mit Gipskartonplatten verkleidet, um bei einem Feuer in einem Raum das Übergreifen auf weitere Räume einzudämmen.
Die Stimmung im Camp ist wechselhaft. Schon viel haben diese Menschen erlebt: Die Frauen haben während des Krieges ihre Männer verloren, die Kinder und Jugendlichen ihre Väter. Schon einmal mussten sie mitansehen, wie ihr Zuhause dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die kleinen Räume, von etwas mehr als 20 Quadratmetern, in denen sie nunmehr sechs Jahren leben sind ihr Schutzraum in dieser kargen Welt, die bisher vor allem Leid für sie bereitgehalten hat. Doch die Ladies versuchen dem zu trotzen: Immer wieder ertönt laute arabische Musik durchs Camp und unser 13-köpfiges Team aus zwölf Syrern und einem Deutschen wird aufgefordert gemeinsam mit ihnen das Tanzbein zu schwingen. Grandios werden wir versorgt, wenn täglich zum großen gemeinsamen Mittagessen in einen der bereits fertiggestellten Räume gerufen wird. Es ist ein Miteinander und eine Gastfreundschaft die anrührt. Die Lebensfreude haben sich die Frauen und die Kinder dieses Camps nicht nehmen lassen: Sie trotzen dem Hass und der Gewalt der Regierung und setzen dem Offenheit und Lebenslust entgegen. Nur wenn wieder einmal eine Horde schwer bewaffneter Soldaten durchs Camp marschiert, um sich wichtig zu machen, aufzublasen und dumme Sprüche abzulassen, verschwinden die Frauen in ihren Räumen. Dem Demütigungswillen der staatlichen Gewalt wollen sie sich nicht aussetzen.
Wir Grünhelme sind tief betroffen und traurig über das, was den Menschen hier wiederfährt, zumal wir viele Familien schon seit unseres Projektstarts vor zwei Jahren kennen. Wir versuchen Solidarität zu leben, indem wir hilf- und schutzlose Familien unterstützen. Dabei stoßen wir aber auch an Grenzen, weil unsere Kapazitäten begrenzt sind. Aufgrund der Gleichzeitigkeit, in der der Umbau geschehen muss, können wir nur einigen helfen. Immer wieder müssen wir leider auch Menschen mit ihren Hilfegesuchen zurückweisen. Diese bleiben auf sich allein gestellt, müssen den Umbau in Eigenregie umsetzen, weil die großen Hilfsorganisationen sich auf das Austeilen von Holz und Planen beschränken, nicht aber technisch unterstützen. So bleibt unklar, ob die Bulldozer nochmals anrücken und diejenigen Familien aufsuchen, die selbst nicht umbauen konnten.