Erster Spatenstich für das Psychosoziale Zentrum „Amahoro“ im Gefängnis von Gitarama
Unter stahlblauem Himmel und sengender Sonne stehen zwei MUZUNGU (Kinyarwanda: weiße Fremde) und eine ruandische Frau im besten Alter. Zusammen mit 30 Männern in orange- und lilafarbenen Anzügen machen wir den ersten Spatenstich für das Psychosoziale Zentrum. Viele Leute auf der Straße bleiben stehen und beobachten uns, was wir da machen.
Eigentlich nichts Ungewöhnliches für die Grünhelme, doch dieses Mal ist es etwas Neues und etwas Besonderes, denn wir sind von einem zwei Meter hohen Maschendraht eingezäunt, werden von einem Aufseher beobachtet und sind mitten in einem der größten Gefängnisse von Ruanda, im „Gefängnis von Gitarama“.
In diesem Gefängnis arbeitet eine gute Freundin der Grünhelme, die Deutsch-Ruanderin Eugenie Musayidire. Eugenie ist vor über 30 Jahren nach Deutschland gekommen. Sie musste in den 70ern, nach der Verfolgung durch die Hutu-Regierung, erst nach Burundi fliehen und ist dann über ein Stipendium nach Deutschland gekommen. Im Genozid 1994 wurde ihre Familie in Ruanda ermordet. Um ihre Trauer zu verarbeiten, hat sie ein Buch geschrieben und später den Dokumentarfilm „Der Mörder meiner Mutter“ mit initiiert, in dem sie die Hauptrolle spielt. Dieser brachte Eugenie 2001 nach über 30 Jahren Exil das erste Mal zurück nach Ruanda. Nun arbeitet sie seit 2007 für den Evangelischen Entwicklungsdienst im Gefängnis von Gitarama. Dort kümmert sie sich um die über 700 Frauen, die ihre Strafe absitzen. Viele der Frauen haben ihre Kinder mit ins Gefängnis genommen oder sind im Gefängnis schwanger geworden. Derzeit sind noch 75 Kinder unter zwei Jahren im Gefängnis.
Bei unserem ersten Besuch in Gitarama und dem Anblick der Kinder, die mit den über 700 Frauen in einem stickigen Raum ohne Sonnenlicht ein- oder weggesperrt sind, stand für uns der Entschluss fest: Wir müssen die Arbeit von Eugenie unterstützen und den Kindern einen Ort schaffen, wo sie sich zurückziehen, miteinander ausgelassen spielen oder sich einfach nur ausruhen können. Die Pläne für das Gebäude waren schnell gezeichnet, doch dann folgte der lange Weg der Genehmigungen. Denn auch in Ruanda kann man und besonders als Fremder nicht ohne weiteres in ein Gefängnis hinein, in dem bis zu 70% Schwerverbrecher sitzen. Und auch wenn die Regierung viel von Versöhnung spricht, sitzen die Wunden in der Gesellschaft noch tief. Doch nun haben wir alle Genehmigungen erhalten, wir, die Grünhelme, haben „freien“ Zutritt zum Baugelände und können auch ohne Probleme alle Baumaterialien in das Gefängnis bringen.
Jetzt haben wir die Fundamente ausgehoben und bauen ein Haus mit drei Räumen: einen Therapieraum, in der Eugenie zusammen mit den Frauen und den Kindern Musik-, Gesangs- oder Gesprächstherapien durchführen kann, zwei große offene Räume, wo die Kinder bei Hitze oder Regen in Ruhe spielen, essen und schlafen können. Unser besonderer Triumph wird ein Spielplatz für die Kinder sein, der von unserem neuen Mitarbeiter Karl Lehmann entworfen und gebaut wird. Karl ist ein Berliner Original (denn er ist gebürtiger Hesse) und hat in Berlin seine eigene Landschafts- und Gartenbaufirma, mit der er schon zahlreiche Spielplätze in Berlin gebaut hat.
Wir hoffen, dass die Arbeiten zügig voran gehen und die Behörden weiter so kooperativ bleiben und wir das Amahoro Zentrum (Amahoro heißt: Frieden) in vier Monaten eröffnen können. Baumaterialien und Fachkräfte sind genügend zur Hand. Die Arbeiten werden von 30 Insassen durchgeführt. Auch das ist für uns wieder bizarr zuzusehen, dass in dem Gefängnis jeder Teil der Gesellschaft vertreten ist. Doktoren, Hilfsarbeiter, Maurer, Priester und Architekten, alle sind vorhanden und sitzen zum Teil ihre lebenslangen Strafen wegen Mordes während des Genozids ab.
Die Frage, die wir uns selber stellen, haben wir auch Eugenie gestellt: „Warum helfen wir den Mördern“? Und Sie antwortet dann immer mit ganz fester und sicherer Stimme: „ Ich helfe den Kindern und damit helfe ich uns allen. Denn Versöhnung ist der Frieden zwischen den Menschen und nur mit Frieden können wir eine Zukunft für unser Land haben. Wir müssen es schaffen, die Kinder nicht für etwas aus der Vergangenheit, was Sie selber nicht getan haben, zu bestrafen.“
Das ist ein wunderschöner Leitfaden, den wir bei diesem und bei weiteren Projekten beherzigen möchten.
Thomas Just