„Was? Ruanda? Ist das nicht viel zu gefährlich? Wie willst du denen denn helfen? Die wohnen doch nicht mal in Häusern“ – fragten mich meine Kollegen, als ich ihnen Anfang des Jahres verriet, ich würde ab April für die Grünhelme als Lehrer für Baukonstruktion nach Ruanda gehen. Sofort wurde mein zukünftiger Wohnort gegoogelt, um mich über dessen Prädikate aufzuklären: „unwahrscheinlich arm, äquatorheiß und selbst für afrikanische Verhältnisse kulinarisch kulturlos!“
Doch dieser gut gemeinte Versuch, mich zum Bleiben zu überreden, ging natürlich nach hinten los und bestärkte meine Absicht nur noch, mir von Afrika endlich mein eigenes Bild zu machen. Darüber hinaus beschlich mich ohnehin schon seit längerem das Gefühl, ich hätte zumindest für diesen Lebensabschnitt genügend Ausführungszeichnungen für Österreichische Wellness-Oasen archiviert – „Das war doch noch nicht alles, worauf man fast zwanzig Jahre in Schulen und Universitäten vorbereitet worden ist, oder?“
So ging’s also nach Afrika. Und von einem Zehntausendstel meiner Eindrücke dort will ich im Folgenden kurz berichten:
Die langjährig angesammelten Vorurteile gegenüber diesem Kontinent verflogen fast schlagartig als wir Ruandische Erde betraten und in der berüchtigten halben Stunde zwischen Flughafen und dem Nelson Mandela Educational Center lernten wir bereits mehr über das Land als durch alle unsere Reiseführer, Berichte und Geschichten in den Wochen davor.
Ruanda überrascht jeden Neuankömmling aufs Positivste: Korruption gibt es keine, dafür aber ein Verbot von Plastiktüten. Der Verkehr ist harmlos, die Luft ist sauber und die Straßen auch. Die Polizei und öffentliche Institutionen arbeiten fair und die Menschen stehen hinter ihrem politischen Führer. Über die grausame Geschichte wird zwar nicht viel geredet, aber man ist stolz darauf, die ethnischen Differenzen gemeinschaftlich abgelegt zu haben. Alle Menschen wirken verbrüdert und in Aufbruchsstimmung.
Wie mir später auch ein kleiner Trip um den Viktoriasee und somit in andere Ostafrikanische Länder bestätigte, ist Ruanda in keiner Weise mit seinen Nachbarländern zu vergleichen und wahrscheinlich auf dem ganzen Kontinent eine Ausnahmeerscheinung – nicht zu Unrecht also wie Uganda: „die Schweiz Afrikas“. Nur das Essen, das bleibt gewöhnungsbedürftig…
Mindestens genauso überrascht war ich dann von den Menschen, mit denen ich für die nächsten 3 Monate zusammenarbeiten sollte: Aus unserem Grünhelme Team waren alle hoch motiviert und insgesamt haben sich unsere mitgebrachten Kompetenzen perfekt ergänzt. Da man hier permanent auf dichtestem Raum zusammenlebt war ich besonders dankbar, dass in unserer kleinen „Familie“ immer über alles (auch außerhalb unserer professionellen Schnittmenge) besprochen werden konnte und sich sofort ein unerwartet großer Raum für eigene Ideen und Kreativität auftat.
Auch unsere Ruandischen Lehrerkollegen sind Klasse. Dass sie äußerst fachkundig und des Englischen mächtigen sind, hatten wir ja schon gehört. Mit welcher Freundlichkeit sie uns „Interimsexperten“ aber empfingen und wie gerne und engagiert sie sich während der letzten Monate an der Gestaltung der Schule beteiligten war und ist immer noch erstaunlich. Am meisten beeindruckt haben mich jedoch die Schüler.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Deutschland eine Schule, geschweige denn ein Internat gibt, an dem es so friedlich zu geht wie hier bei uns im NMEC. Während meiner ganzen Zeit gab es nicht die kleinsten Handgreiflichkeiten, ja nicht einmal Streitigkeiten unter den Schülern. Und was die Lehrer sagen wird, immer anstandslos und mit großer Selbstständigkeit ausgeführt. Im Unterricht und den praktischen Projekten ist es dagegen wie zu Hause: Da gibt es faule und engagierte, leise und laute, schnelle und langsame.
(Die Abschlussprüfung im letzten Term haben aber alle bestanden!).
Diese vielen tollen Menschen sind auch der Hauptgrund für den Spaß an der Arbeit hier, die an und für sich sehr anstrengend ist. Egal wo auf der Welt: Lehrer zu sein ist hart und zum ersten Mal im Leben Lehrer zu sein ist sicher noch härter. Wenn sich dann noch sprachliche Hindernisse und Hitzefreitemperaturen in den Weg legen, weiß man abends wirklich, was man geleistet hat (und statt Feierabend kommen dann Vorbereitung, Hausaufgaben und Testkorrekturen).
Hinzu kommt an unserer Schule, dass grundsätzlich projektorientiert gelehrt werden soll und sich im besten Falle auch die theoretischen Inhalte an aktuell anstehende Baulichkeiten anlehnen, also keiner wirklich chronologischen Abfolge entspringen und von Projekt zu Projekt neu geplant werden müssen. Trotzdem: Super!
Eines der für mich schönsten Projekte und meine derzeitige Hauptverantwortlichkeit ist gleichzeitig die erste große externe Bauaufgabe der Schule: Das „Innovationszentrum“ für eine Kooperative von Korbflechterinnen in Gashora. Eine unserer Konstruktionsklassen leitet dort die Bauarbeiten, die von vielen verschiedenen Helfern ausgeführt werden. Neben lokalen Arbeitern und den Frauen der Kooperative selbst helfen kanadische Freiwillige, manchmal das Militär und gelegentlich sogar die Dorfbevölkerung.
Das fördert nicht nur das technologische Know-how unserer Schüler, sondern auch deren Verantwortungsbewusstsein, ihre Englischkenntnisse und ihre Führungsqualitäten. Für mich selbst ist die Betreuung dieses Projektes natürlich auch eine große Herausforderung. Meine Kompetenzen erstrecken sich vom Löcher graben über den Gebäudeentwurf bis hin zur Masterplanung der ganzen Straße. Für diese Aufgaben bin ich immer noch sehr dankbar.
Was ich am allermeisten daran schätze, sind die Sorgfalt, die uns innerhalb dieses Projektes gestattet wurde und die damit verbundene Langsamkeit der Ausführungen. Hoffentlich können so allen Beteiligten bestimmte Qualitäten und Wertschätzungen, die wir vorzuleben versuchen, erhalten bleiben.
Insbesondere dieses Projekt aber auch gewisse Dringlichkeiten bezüglich der Integration unserer Schule in das Ruandische Bildungssystem, haben mich zum „Länger-hier-bleiben“ bewegt und glücklicherweise darf ich auch weiterhin für die Grünhelme in Ruanda arbeiten
Mittlerweile helfe ich schon den neuen Deutschen Mitarbeitern, sich hier einzuleben. Auch der zweite Term hat mit vielen neuen Projekten bereits angefangen. Ich brauche also noch lange nicht resümieren, was ich hier alles gelernt habe – auf jeden Fall eine Menge!
In diesem Sinne kann ich jedem Bau – und Elektrotechniker wärmstens empfehlen auch für drei Monate nach Ruanda zu fliegen und selber mit anzupacken. Bringt ein Mindestmaß an Flexibilität, Teamgeist und Engagement mit – dann seid ihr sicherlich herzlich willkommen!
Amahoro n’urugundo [Frieden und Liebe]